Weibliche Erwerbsarbeit – Teil von Unternehmensphilosophie?
Halina Anton
(Auszug aus gleichnamigem Kapitel in FrauenOrte/ Frauengeschichte in Sachsen-Anhalt; Bd. 2; S.61-75; Halle 2008)
[…] Die Zahl von 200 beschäftigten Frauen im Leuna-Werk wurde schnell überschritten. 1918 war in der Werkzeitung zu lesen: „Wenn vor dem Krieg ein Mann in der Anilin-Fabrik einem weiblichen Wesen begegnet wäre, hätte dies damals Aufsehen erregt. Sie waren jedoch an die Anwesenheit der vielen arbeitenden Frauen und Mädchen so gewöhnt, dass selbst die in den Männerkleidern tätigen Arbeiterinnen nicht mehr auffielen.“ […] […] 1926 wurde in der Stadt Leuna der erste Kindergarten eines Industrieunternehmens eröffnet. 25 Kinder konnten den ganzen Tag über und 88 Kinder stundenweise betreut werden. Der Bau der Kindereinrichtung „Am Sonnenplatz“, der als eine Stiftung des Werkes erfolgt, hatte nicht allein die allgemeine humanistische Erziehung der Kinder zum Ziel, er sollte ihnen auch ein Zugehörigkeitsgefühl zum Werk und zur Stadt vermitteln. Gleichzeitig war der Kindergarten ein Ort für die Beschäftigung von Frauen, ein typischer Frauenberuf. […]
Zu Beginn des 2. Weltkrieges änderte sich die Situation. Der Anteil der weiblichen Beschäftigten verdoppelte sich nahezu, von zwei Prozent Anfang 1939 auf 3,7 Prozent Mitte des Jahres. Im kriegsbedingten Einsatz mussten die Frauen in der Produktion des Leuna-Werkes nicht nur die Männer ersetzen ,die an die Front mussten, die Frauen waren auch gezwungen eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, weil der Mann als Haupternährer ausfiel.[…] Die Zahl der beschäftigten Frauen blieb aber unter der in der Zeit des ersten Weltkrieges. […] […] Zum Ende des 2. Weltkrieges lag der Anteil der Frauen an den Beschäftigten bei acht Prozent. Bis 1953 erhöhte er sich auf 20 Prozent und erreichte 1979 mit 41 Prozent seinen höchsten Stand. […] ab 1948 gibt es im Leuna-Werk keine unterschiedlichen Lohngruppen für Frauen und Männer. Schwieriger und wesentlich langwieriger gestaltete sich die Lösung der Qualifikation und der Schaffung von Frauenarbeitsplätzen. Frauen wurden vielfach einfach als Ersatz für fehlende Männer angesehen und waren diese wieder anwesend, konnte und sollte man auf die Frauen in der Produktion verzichten. „Frauen haben keine Verantwortungsfreudigkeit“, „Frauen können nicht an unseren Maschinen arbeiten, weil sie kein männliches Denken haben“, „Es ist aber zu berücksichtigen, dass jeder Haushaltstag, jeder Krankheits- oder Urlaubstag bei gleichbleibendem Stellenplan ausgearbeitet werden muss“, „Der Stellenplan und die Struktur der Abteilung verbieten es, Produktionsarbeiten liegen zu lassen, um Frauen zu qualifizieren“ … Die Männer fürchteten um ihre „Machtstellung“, die ihnen mit der beruflichen Tätigkeit gegeben war. Ihre gesellschaftliche Stellung geriet mit der zunehmenden qualifizierten Beschäftigung von Frauen ins Wanken. […]
Weiterführende Informationen zu „Weiblicher Erwerbsarbeit im 20.Jahrhundert“ in Sachsen-Anhalt unter