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Gleichberechtigt oder? Frauen in der DDR

„Ich will die DDR nicht zurück, aber ich will auch keinen Haushaltvorstand und kein Dienstmädchen“. So fasste in einem Interview eine etwa 40jährige ostdeutsche Frau ihren Rückblick auf das DDR-Frauenleben zusammen.

Eine andere etwas ältere Frau meinte zu diesem Thema „Wir haben uns mit Bildung, Beruf und Wunschkindern zufrieden gegeben. Heute wissen wir ja auch, dass das nicht wenig ist.“

[…] Frauen wurden wie immer nach politischen Katastrophen Trümmerfrauen. Sie waren noch zwölf Jahre vorher bewusst auf ihr „ureigenstes Gebiet“, auf Hausarbeit und Mutterschaft orientiert worden und sahen sich nun zerstörten Wohnungen und unbrauchbaren Be-trieben, verwaisten Kindern und politischer Orientierungslosigkeit gegenüber. Seit dem Frühjahr 1944 hatten sich britische und amerikanische Bomber vor allem auf die Chemie-Standorte des Landes konzentriert. „Merseburg wurde schwer zerstört, in den Leuna-Werken kam die Produktion im April 1945 völlig zum Erliegen und in den Buna-Werken mußte die Arbeit gleichfalls stillgelegt werden“. Angesichts dieser Situation übernahmen Frauen – nicht nur in Sachsen-Anhalt – mit großer Selbstverständlichkeit politische Aufgaben und weitreichende Verantwortung. Allerdings hießen diese Aufgaben nicht Wahlsiege und Machtgewinn, sondern Versorgung mit sauberem Wasser und warmen Stuben oder auch Einsatz von „Neulehrern“ und Beteiligung an der Bodenreform. […]

[…] Was Bildung und berufliche Qualifikation betraf, stand Anfang der 50er Jahre die Hauptarbeit noch bevor. […] Frauenqualifizierung galt als wichtige betriebliche Aufgabe, die jährlich in den sogenannten Betriebskollektivverträgen (BKV) als Leitungspflicht verankert wurde. Im VEB Film- und Chemiefaserwerk AGFA Wolfen – Anfang der 50er Jahre ein Betrieb mit einem Frauenanteil von etwa 44 Prozent – versprach die Werkleitung 1954, mit 418 Frauen betriebliche Qualifizierungsverträge abzuschließen, und hielt dieses Versprechen sicherlich auch. Darüber hinaus wurden in diesem Jahr 7 Frauen zur Hochschule, 25 Frauen zur Fachschule und 6 Frauen zur Arbeiter-und-Bauern-Fakultät (Ziel: Abitur) delegiert. Gleichzeitig legte der BKV fest, daß „nach Beendigung jeder erfolgreichen Qualifizierung… die Kolleginnen nach Maßgabe des Stellenplanes in eine ihren Fähigkeiten entsprechende Funktion eingesetzt und dementsprechend entlohnt“ werden. […]

[…] Ein westdeutscher Journalist, der sich 1971 wegen ARD-Filmarbeiten acht Wochen lang in Halle-Neustadt, Eisleben und Sangerhausen aufhielt und ausführliche Interviews in zwei Familien führte, kommt zu geradezu euphorischen Ansichten über die DDR-Frau und die DDR-Familie. Schon der Bildungsweg der beiden Frauen erschien ihm bemerkenswert. Die eine hatte Chemiefacharbeiterin gelernt und sich dann zur Meisterin qualilfiziert. Die andere war Lehrmeisterin und hatte gerade die Ingenieur-Prüfung (Fachrichtung Chemie) hinter sich. Seine These: „Der Sozialismus zerstört die Familie nicht. Aber mit der Entwicklung der Frau als Mensch, als Mensch in der Gesellschaft, wandelt sich die Familie und wird sich die Familie in der DDR mit zunehmender Schnelligkeit so wandeln, daß sie im Jahr 2000 mit der Familie alten Stils keine Ähnlichkeit mehr haben wird… Freilich: Wer täglich die Sexmieze und die Super-Mutti als DIE Frau im Sinne christlich-deutscher Wertvorstellungen propagiert, dem muß angesichts einer emanzipierten, klugen, selbstbewußten Frau das kalte Grauen kommen“. […]