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10 Jahre Gender und nun?

von: Dr. Ursula Schröter/ Christian Schenk MdB a. D.

Ich könnte meinen Überlegungen auch die Überschrift gegeben: „Die verschiedenen Leben von Gender Mainstreaming“, um auf diese Weise zu betonen, dass ich keine kontinuierliche, dem gesellschaftlichen Fortschritt zustrebende Entwicklung beim Thema Gender Mainstreaming sehe. Ich sehe vielmehr Brüche, Widersprüche und in letzter Zeit ziemlich viel Bewegung bei diesem Thema.

Beginnen wir mit der Geburt und insofern mit dem ersten Leben. Unser Tagungsthema heißt 10 Jahre Gender, und nun? Deshalb vermute ich, dass der Amsterdamer Vertrag 1997 bzw. seine Etablierung in Sachsen-Anhalt als Startschuss angenommen wird. Das kann man machen, man kann die Geburtsstunde auch früher ansetzen, etwa mit der Weltfrauenkonferenz in Peking 1995. Aber unumstritten ist, dass sich die deutsche Regierung, damals CDU-geführt, mit der Unterschrift unter den Amsterdamer Vertrag zu Gender Mainstreaming bekannt hat. Das heißt, sie hat sich dazu bekannt, „Ungleichheiten zu beseitigen und die Gleichstellung von Männern und Frauen zu fördern“ (Artikel 3). Und in einer Verlautbarung des Europaparlaments wird das Konzept (Planungskonzept, Analysekonzept, Personalauswahlkonzept) konkretisiert. Dort steht schwarz auf weiß: „Die Vorbereitung aller Vorschläge, Pläne und Programme in der allgemeinen und sektoriellen Politik muss also eine Analyse der Auswirkungen der geplanten Entscheidungen auf beide Geschlechter getrennt umfassen, bevor die Entscheidungen getroffen werden“ (Anlage zum Kokkola-Bericht des Europäischen Parlaments vom 18. 07. 97, S. 20).

Es geht also um ein Hilfsmittel, um eine Methode, um ein Konzept, das Geschlechterungerechtigkeiten bewusst machen soll bzw. verhindern soll. Wichtig ist auch, es geht um eine Methode, die „von oben“ angewiesen wurde, auf schlecht deutsch: eine top-down-methode, die seit 1999 in der Geschäftsordnung der Bundesregierung verankert ist (Paragraph 2). Warum in den 90er Jahren den Regierenden plötzlich die Geschlechtergerechtigkeit wichtig wurde – Kapitalismus und Patriarchat wurden ja nicht in Frage gestellt, auch nicht die engen Zusammenhänge, die es zwischen Kapitalismus und Patriarchat gibt -, wird unterschiedlich begründet, zum Teil mit der Konkurrenzsituation zu den USA, zum Teil auch mit dem Beitritt der nordeuropäischen Länder in die Europäische Union.

In den Jahren nach 1997 gab es nun sehr unterschiedliche, oft widersprüchliche Reaktionen in der (weiblichen) Öffentlichkeit. Nach meiner Wahrnehmung gingen die Reaktionen in zwei Richtungen. Zum ersten gab es immer Frauen und Männer, die Gender Mainstreaming für wichtig, richtig und bitte notwendig hielten (ich gestehe, dass ich zunächst nicht dazu gehörte). Zum zweiten gab es harsche Kritik und auch Misstrauen. Die einen meinten, hier würden Selbstverständlichkeiten mit neuen Worten und hohen Kosten aufgewärmt. Und dass es selbstverständlich sein müsste, dass Entscheidungsträger – zumal in staatlichen Einrichtungen – die Folgen ihrer Entscheidungen abzuschätzen haben, ist ja auch nicht vom Tisch zu wischen. Die anderen meinten, Gender Mainstreaming sei die neue und nun europaweite Ausrede, um Frauenförderung abzuschaffen. Auch dafür ließen sich Belege finden. Zahlreiche Frauenzeitschriften stellten ihr (papiernes) Erscheinen ein, zahlreiche Frauenbeauftragte wurden eingespart oder erhielten zusätzliche Ressorts. Misstrauen schien auch deshalb geboten, weil in der Europäischen Union selbst die „strategische Unterfütterung“ des Gender Mainstreaming -Konzepts fehlt . Immer öfter wurde betont, dass es noch kein Konzept ist, sondern nur ein Versprechen. Wege und Ziele würden undurchsichtig bleiben, so undurchsichtig wie die Europa-Politik mit ihrem komplizierten Institutionen-Mix insgesamt. Zwar spräche das Europäische Parlament eine klare Sprache (siehe oben), aber dieses Parlament hat vergleichsweise geringe Befugnisse und gälte unter der Hand als „parlamentarische Begleitmusik“. Die eigentlichen Macht- und Kontrollzentren heißen Europäischer Rat, Ministerrat, Europäische Kommission, vielleicht noch Europäischer Gerichtshof, Europäischer Rechnungshof oder Europäische Zentralbank. Und in diesen Institutionen sind sowohl der Frauenanteil als auch das Interesse an Gender Mainstreaming auffällig gering. Das „Herrenhaus Europa“ (Susanne Schunter-Kleemann) hat sich also nicht plötzlich verändert, als es den Amsterdamer Vertrag abschloss.

Auch über die versprochene Kontrolle ist wenig in die Öffentlichkeit gesickert. So ist in der Aktionsplattform von Peking, die bekanntlich von Frau Nolte namens der damaligen deutschen Regierung unterschrieben wurde, unter Ziffer 204 festgehalten, dass alle Ministerien zur Überprüfung von Gender Mainstreaming in ihrem Verantwortungsbereich verpflichtet sind und dass die Regierung „ressortübergreifende Koordinierungsstrukturen“ schaffen muss, um die „erzielten Fortschritte zu überwachen“. Diese Koordinierungsstrukturen heißen in anderen Papieren „interministerielle Arbeitsgruppen“. Wo es solche Arbeitsgruppen gibt und welche Ergebnisse sie erarbeitet haben, ist schwer zu erfahren. Ich habe Ende 2001 letztmalig im Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend nachgefragt, ob es für die Bundesebene eine solche Arbeitsgruppe gibt. Damals ist mir gesagt worden, dass zunächst die Konzepte der einzelnen Ministerien ersichtlich sein müssten, bevor man sie kontrollieren und vergleichen könne.

Aber immerhin gibt es inzwischen, seit Sommer 2005, den ersten Gender-Datenreport, ganz sicher auf Druck der Europäischen Union erarbeitet. Ein dickleibiges Werk, in dem sehr überzeugend nachgewiesen wird, dass in Deutschland der Übergang vom Patriarchat zur Partnerschaft (eine Formel aus den 70er Jahren der alten Bundesrepublik) noch lange nicht realisiert ist. Nachgewiesen wird auch, dass es in Deutschland bezogen auf das Gender-Thema zwei große Differenzierungslinien gibt, die zwischen Ost- und Westdeutschen und die zwischen angestammter und zugewanderter Bevölkerung. Bedauerlich ist, dass die Regierung zwar den Auftrag für dieses Werk ausgelöst hat, dass sie dann aber nicht bereit war (obwohl versprochen), den Report mit einer politischen Stellungsnahme zu versehen. Das macht die Analyse nicht schlechter, aber der Report bleibt eben ein sozialwissenschaftliches Dokument. Er wird nicht wie beispielsweise der zeitgleich fertig gestellte 7. Familienbericht zum politischen Dokument erhoben. Das kann für die politische Arbeit ein großer Unterschied sein.

Alles in allem: Unter dem Strich tat sich in den ersten Gender Mainstreaming -Jahren, also etwa bis 2005, nicht viel. Das öffentliche Interesse blieb begrenzt. Die Agenda 2010, die wohl bedeutendste politische Entscheidung in dieser Zeit, war nachweisbar nicht „gegendert“, bevor sie in kraft trat.

Nun aber, konkret seit Ende 2005, scheint Gender Mainstreaming die deutsche Kultur zu bedrohen (ein neues Leben?). Seitdem übertreffen sich Zeitungen wie Spiegel, Stern, Frankfurter Allgemeine, also Zeitungen mit hoher Auflage, mit abenteuerlichen Behauptungen zu diesem Thema. Das alles wird begleitet bzw. wurde vorbereitet von so genannten Sachbüchern, die Frauen mehr oder weniger deutlich an ihre traditionelle Rolle erinnern sollen. Ich denke da beispielsweise an Susanne Gaschke und ihr Buch „Die Emanzipationsfalle. Erfolgreich, einsam, kinderlos“. Oder ich denke an Frank Schirrmacher und sein Buch „Minimum. Vom Vergehen und Neuentstehen unserer Gesellschaft“. In diesen Büchern geht es, oft mit erstaunlich widersprüchlichen Argumenten, um die Gender-Sache, aber nicht unbedingt um das Wort Gender Mainstreaming. In den Medien dagegen spielt auch der Begriff eine große Rolle. Und mit der Auseinandersetzung um den Begriff wird nicht selten eine z. T. sehr unsachliche, sogar gehässige Debatte um die gesamte feministische Theorie geführt.

So wird beispielsweise im Stern 12/2005 behauptet, dass die Ergebnisse der regierungsamtlichen Gleichstellungspolitik vor allem „trivial und teuer“ seien (7 Millionen Euro schon „vergendert“) und dass man Gender Mainstreaming auch mit der Frage umschreiben könnte: „Wie nagelt man einen Pudding an die Wand?“

Im CICERO, einem online-Magazin für politische Kultur, wurden kurze Zeit später Behauptungen über Gender Mainstreaming veröffentlicht, die mir zunächst so absurd erschienen, dass ich an einen Witz dachte: „Gender Mainstreaming ist eine Art totalitärer Kommunismus in Sachen Sex und Geschlechterbeziehung…Und die Familie wird abgeschafft, das ist letztlich das in den Leitgedanken des Gender Mainstreaming konkret benannte und sich aus den Konzepten ergebende Bild dieser Politik… Nur schwach kann Gender Mainstreaming verbergen, dass hier eine Art pseudowissenschaftlicher Rassismus zwischen den Geschlechtern initiiert wird, an dessen Ende eine männerlose Welt stehen könnte.“

Dann (Sommer 2006) schaltete sich die Frankfurter Allgemeine ein mit der These, dass „politische Geschlechtsumwandlung“ die treffendste Übersetzung für Gender Mainstreaming sei. „Und möglichst schon in der Krippenerziehung soll mit der geistigen Geschlechtsumwandlung begonnen werden“. Gender Mainstreaming würde den neuen Menschen schaffen wollen, ein Ziel, an dem schon die russischen Bolschewiki gescheitert seien. Und vor allem in dieser Zeitung, allerdings erst im September, wird die gesamte feministische Theorie und Bewegung geohrfeigt. Feminismus im Allgemeinen, die Dekonstruktionsthese von Judith Butler im Besonderen und Gender Mainstreaming – alles kommt in einen Topf als Ausgeburt der Lesbenbewegung. Offiziell würde die Regierung zwar den Zusammenhang zwischen Feminismus und Lesbenbewegung verbrämen, aber er sei offensichtlich. In der Frankfurter allgemeinen Sonntagszeitung waren die Argumente etwas gemäßigter, lockerer formuliert. Hier wird behauptet, dass ein paar Jahre Gender Mainstreaming ausgereicht hätten, um den Mann in ein psychisch labiles Problembärchen zu verwandeln.

Im Internet erschien dann ein Essay eines Prof. Dr. Dr. Michael Bock von der Universität Mainz. Auch er wird beim Nachdenken über Gender Mainstreaming sofort an die totalitären Regime des 20. Jahrhunderts erinnert. „Die Kader haben Stellung bezogen. Insofern ist es eigentlich schon zu spät. Flächendeckend gibt es bereits die Gleichstellungsbeauftragten und die Netzwerke ihrer informellen Informantinnen. Flächendeckend organisieren sie Informationsveranstaltungen und Tagungen, drucken Broschüren, bilden weiter, schüchtern ein. Die unverhohlenen Drohungen, die im Zusammenhang mit Gender Mainstreaming gegen Chefs, Unternehmer, Behördenleiter und Vorgesetzte aller Art ausgestoßen werden, müsste man nicht so ernst nehmen, wenn es dieses Heer von Aktivistinnen und Expertinnen, diese selbsternannte Avantgarde, von der alle totalitären Bewegungen leben, nicht längst gäbe“. Hinzugefügt werden muss, dass sich die Johann-Gutenberg-Universität Mainz von diesem Essay distanziert hat.

Relativ spät (seit Ende 2006) kam der Spiegel dazu mit seiner Kritik: „Gender Mainstreaming will nicht nur die Lage der Menschen ändern, sondern die Menschen selbst“, auch Spiegel-Spezial-Ausgaben haben sich inzwischen dem Thema gewidmet (von der Leyen vs. Müller).

Natürlich gab es auch reichlich Gegenfeuer, auf das ich hier nicht genauer eingehen möchte. Sowohl auf Papier, hier insbesondere in der taz, aber auch im Internet erschienen zahlreiche Artikel mit Argumenten pro Gender Mainstreaming. Auch das Gender-Kompetenz-Zentrum der Humboldt-Universität hat sich mehrfach zu Wort gemeldet. Und – das darf nicht unterschlagen werden – es gibt inzwischen auf der untersten kommunalen Ebene Gleichstellungsberichte oder zumindest die Forderung, solche Berichte anzufertigen.

Seit Mitte 2007 liegt nun der 6. Regierungsbericht zur Erfüllung der Frauenkonvention vor. Er muss routinemäßig aller 4 Jahre erstellt und an die UNO geschickt werden. Fußnote für alle die, die es noch nicht wissen: Die UNO ist außerdem sehr an einer so genannten Schattenberichterstattung (Alternativberichterstattung) von Nichtregierungsorganisationen interessiert. Das heißt, die Frauenverbände Deutschlands sind gegenwärtig wieder aufgefordert, den Staatenbericht zur Kenntnis zu nehmen und gegebenenfalls ihre kritische, ihre andere Sicht zu den angesprochenen Themen ebenfalls der UNO mitzuteilen. Erwiesenermaßen beziehen sich die Auflagen, die die deutsche Regierung dann von der UNO bekommt, sowohl auf den staatlichen Bericht als auch auf den alternativen. Insofern lohnt sich die Arbeit. Ende der Fußnote.

Im 6. Regierungsbericht gibt es einen Abschnitt, den ich als Reaktion auf die bösen medialen Angriffe gegen Gender Mainstreaming gelesen habe. Ich zitiere: „Mit der Übernahme des englischen Begriffs Gender Mainstreaming sind mancherorts Widerstände entstanden, die eine nachhaltige Verankerung des Anliegens behindert haben. Eine Neuausrichtung der Gender Mainstreaming -Konzeption soll Gleichstellungspolitik als präventiv ausgerichtetes Vorgehen attraktiver ausgestalten und so zu einer wirklichen Erfolgsstrategie machen.“ Vielleicht sollte das eine diplomatische Reaktion sein. Gelesen wurde sie als zumindest nichts sagend oder gar abwertend, und folgerichtig gab es sehr schnell nach der Veröffentlichung des Berichtes auch deutliche Kritik der Verteidigerinnen von Gender Mainstreaming. Ich zitiere aus einem Offenen Brief, den ein Gender Mainstreaming -Netzwerk unter Leitung von Barbara Stiegler an die Ministerin geschrieben hat: „Wir bedauern außerordentlich, dass der Bericht an die Vereinten Nationen ein so unzureichendes Bild der Aktivitäten in der Bundesrepublik Deutschland wiedergibt. Wir halten das für fatal, weil die Bundesregierung erkennen lässt, dass sie sich in Zukunft von den international vereinbarten Strategien in der Gleichstellungspolitik absetzen will“ (aus Sachsen-Anhalt Elke Schilling).

Für mich ergibt sich aus all dem die Frage: Wieso wird ein Konzept, das jahrelang ein unauffälliges Dasein fristete und in den Medien eher beiläufig erwähnt wurde, plötzlich so umkämpft. Wieso wird eine Methode, die erklärtermaßen nur die Behörden meint, plötzlich mit Kinderkrippen in Zusammenhang gedacht? Woraus resultieren die plötzlichen Ängste, die aus einigen Beiträgen sprechen, auch Ängste vor der feministischen Theorie insgesamt. Warum werden in dem Zusammenhang sogar die Gefahren des Bolschewismus beschworen? Gender Mainstreaming sei die totalitäre Steigerung der Frauenpolitik, sagt Michael Bock. Die feministische Sprachkritik/Sprachpolitik sei eine totalitäre Ideologie, sagt (ganz aktuell) Rainer Paris (Fachhochschule Magdeburg) in der Zeitschrift Merkur, übrigens unter der Überschrift „Bescheuertheit“. Es scheint kein Geschütz zu groß zu sein, keine Formulierung zu unsachlich. Müssen wir daraus nicht schließen, dass sich in Deutschland in den letzten drei Jahren etwas getan haben muss, etwas, das die Geister wach gerüttelt hat.

Ich habe versucht, dieser Frage systematisch nachzugehen, habe die Frage gewissermaßen in Einzelteile zerlegt. Bin aber nicht fündig geworden. Es gibt in letzter Zeit keine neuen theoretischen Ansätze im Feminismus, es gibt auch keine neuen gravierenden praktischen Probleme, die Angst machen könnten.

Deshalb kann ich mir den überraschenden medialen Aufschrei nur so erklären, dass von der seit Herbst 2005 im Amt befindlichen Ministerin befürchtet wird, dass sie tatsächlich etwas bewegen könnte in der Gleichstellungspolitik, in der öffentlichen Kinderbetreuung, in der männlichen Verantwortung für Familie. Offensichtlich werden mit dem (aus meiner Sicht) bescheidenen Familienprogramm, das mitunter nur sehr mühsam in Zusammenhang mit Gender Mainstreaming gebracht werden kann, schon die traditionellen Geschlechterrollen in Frage gestellt. Angst macht ganz bestimmt auch, dass es nicht eine marginale Frauengruppe ist, die sich seit Ende 2005 zu Wort meldet, sondern eine Ministerin, top-down. Und auch noch eine Ministerin, die in jeder Hinsicht ins Bild passt. Die in der „richtigen“ Partei ist und eine traditionelle Familie gegründet hat. Der Verdacht, dass die Medienkampagne mit dieser einen Person und ihrer Macht zu tun hat, hat sich bei mir gefestigt, nachdem ich 2007 in der Jungen Freiheit, also in der rechten Presse folgende Frage gelesen habe: „Was haben Lenin, Mao und Ursula von der Leyen gemeinsam?“ Überhaupt fühlt sich der rechte Rand des politischen Spektrums in ganz besonderer Weise durch dieses Konzept bedroht. Gender Mainstreaming würde Natur und Würde des Menschen verletzten und (ganz aktuell aus dem Schweriner Landtag) dem sexuellen Missbrauch von Kindern Vorschub leisten.

Wir haben also einerseits ein öffentliches Entsetzen vor Gender Mainstreaming und z. T. boshafte Diffamierungen. Wir haben gleichzeitig ein konsequentes Festhalten wollen an diesem Konzept, ein Konzept, das auf der untersten kommunalen Ebene gerade erst anzukommen scheint. Und wir haben eine sehr unentschlossene Regierungsmeinung (überwiegend Rhetorik) zu diesem Thema, zumindest gegenüber der UNO.

Das ist nach meiner Wahrnehmung die Bilanz der ersten 10 Jahre.

Unser Thema enthält aber auch die bange Frage „und nun?“ Diese Frage lässt sich einerseits sehr schnell beantworten, nämlich mit der Aufforderung, unverdrossen weiter zu machen. Weil – Es muss etwas dran sein an einem Konzept, das die konservative Welt so aus der Ruhe bringen kann. Mein Respekt für Gender Mainstreaming jedenfalls ist größer geworden in letzter Zeit.

Es ist aber auch eine andere, eine weniger schnelle Antwort denkbar. „10 Jahre Gender Mainstreaming“ könnte auch als Anlass genommen werden, um neu über politische Alternativen nachzudenken, über Feminismus in seinen vielfältigen Zusammenhängen, über grundlegende gesellschaftliche Widersprüche (der Geschlechterwiderspruch ist ja nicht der einzige), über Vorstellungen von gesellschaftlichem Fortschritt, über unsere Zukunftsvorstellungen eben.

So die Ausdrucksweise eines Mitarbeiters des „Europäischen Hauses“ in Berlin, als der Deutsche Frauenrat zu einer Debatte zu Gender Mainstreaming eingeladen hatte.

Dass die Ost-West-Differenz immer noch eine große Rolle in der Genderpolitik spielt, hat uns gerade wieder Wolfgang Böhmer bewiesen.